Zwischen Flächen und Vertrauen: Vom Anfang der Beteiligung
- Michael Krieger
- 16. Juni
- 4 Min. Lesezeit

Mein Artikel für Region-N.
Er sitzt am Tisch. Vor ihm eine Tasse Kaffee. Draußen pfeift der Wind. Auf dem Tisch liegt ein Plan. Linien. Flächen. Möglichkeiten. Doch bevor der erste Strich gezeichnet wird, braucht es ein Wort. Ein Gespräch. Beteiligung beginnt nicht auf dem Papier. Sie beginnt hier. Mit offenen Ohren. Mit einer Einladung. Mit einer Frage: „Was meinen Sie?“
So fängt es immer an. Ein Gespräch. Ein Lächeln. Ein ehrliches Zuhören. Keine PowerPoint-Präsentation. Kein Fachjargon. Nur die Idee. Und der Respekt. Beteiligung ist nicht nur ein Haken im Projektplan. Etwas, das lästig ist. Sie ist die Seele. Sie ist das Band, das alle zusammenhält.
Ich erzähle Ihnen von der Gemeinde Malchin. Dort wollte man einen Bürgerrat zur kommunalen Wärmeplanung machen. Den ersten dazu in ganz Deutschland. Und der allererste Bürgerrat in Mecklenburg-Vorpommern. Ein neues Instrument. Unbekannt. Ungewohnt. Dort wollte man wissen: Wie kann unsere Stadt in Zukunft warm bleiben?
Am Anfang waren alle überfordert. Das Thema ist komplex. Die Bürger kannten das Wort „kommunale Wärmeplanung“ kaum. Auch die Moderatoren tasteten sich vor. Deswegen wurde ich als Experte hinzugezogen. Ich wusste schnell: Hier geht es nicht nur ums Heizen. Hier geht es um die Zukunft. Um erneuerbare Energie, die die Wärme überhaupt erst liefern muss. Ohne Wind, ohne Sonne – keine Wärme.
Der Bürgermeister hatte eine Vision. Er wollte Geothermie. Tief bohren. Erdwärme holen. Doch viele waren skeptisch. Geothermie ist teuer. Aber es gibt vor Ort viel Potenzial. Die Auswahl der zwanzig Teilnehmenden für den Bürgerrat zur kommunalen Wärmeplanung war nicht einfach. Mehrmals musste gelost werden. Viele wollten zunächst nicht dabei sein. Viele hatten Vorbehalte. Vor allem fehlte Wissen. Sie sollten sich für Geothermie aussprechen. Den Bürgermeister so weiter legitimieren.
Doch am Ende war es mehr als ein Experiment. Es war ein Ort, an dem jeder reden durfte. Ein Ort, an dem sich alles änderte. Ein Mann sagte: „Ich dachte, ich verstehe davon nichts. Jetzt weiß ich: Ich kann etwas beitragen.“ Aus Unsicherheit wurde Mut. Aus Angst wurde ein Plan. Und die Gruppe wuchs zusammen. Beteiligung braucht diesen Raum. Diesen Schutz. Dieses Vertrauen.
Und ich erzähle Ihnen auch von einem Solarprojekt. Man wollte einen Solarpark bauen. Wie derzeit fast überall in Deutschland. Jede Woche mehrere Anfragen in jeder Gemeinde. Doch der Bürgermeister wollte nicht reden. Kein Termin. Kein Gespräch. Die Fraktionen im Stadtrat blieben reserviert. Nur die AfD nahm eine Einladung an. Ein schwieriger Anfang. Der Projektentwickler wusste: Jetzt heißt es zuhören. Keine langen Vorträge. Keine fertigen Antworten. Nur Fragen stellen. Nur verstehen wollen. Denn wer nur überzeugen will hat bereits verloren.
Es war eine ungewohnte Rolle für einen Projektentwickler. Doch genau das brachte den Durchbruch. „Wie müsste ein Projekt für Sie aussehen, dass Sie trotzdem dafür wären?“, fragten wir. Währenddessen gelang es mir, als neutraler Dritter, ein Gespräch mit dem Bürgermeister zu führen. Er war nicht gegen Erneuerbare. Aber er war gegen einen fremden Projektentwickler. Er wollte wissen: „Was springt für uns raus? Wem gehört das Projekt?“
Auch hier half die Strategie: Zuhören. Mitdenken. Fragen stellen. Nicht nur: „Was wollen wir bauen?“ Sondern auch: „Was wollen Sie haben?“ So wurde aus einem verschlossenen Rathaus ein Ort, an dem wieder geredet wurde. So wurde aus einem Widerstand eine Chance.
Das ist Beteiligung. Kein Verkaufsgespräch. Kein PR-Text. Sondern ein Gespräch auf Augenhöhe. Ein Raum für Zweifel. Ein Raum für Ideen. Ein Raum, in dem am Ende ein Plan entsteht, der mehr ist als ein Bauprojekt.
Was braucht es dafür? Es braucht Geduld. Gespräche dauern. Vertrauen wächst nicht über Nacht. Es braucht Ehrlichkeit. Und irgendwie auch Verletzlichkeit. Mensch sein. Kein Projekt ist perfekt. Kein Plan ohne Makel. Zeigen Sie das. Seien Sie offen. Und es braucht Neugier. Fragen Sie nicht: „Was haben Sie dagegen?“, sondern fragen Sie: „Was wünschen Sie sich?“
Ich habe es immer wieder gesehen: Wenn Beteiligung gelingt, ändert sich alles. Ein Windrad ist nicht nur ein Windrad. Ein Solarpark nicht nur ein Solarpark. Eine Wärmeplanung nicht nur eine Wärmeplanung. Es wird ein Teil von etwas Größerem. Etwas, das Menschen berührt. Etwas, das bleibt.
Also frage ich Sie: Wie lautet Ihre erste Frage? Und Ihre letzte? Sind Sie offen für Vorschläge? Sind Sie bereit zuzuhören? Nehmen Sie diese Haltung ein. Nicht morgen. Nicht nächste Woche. Jetzt. Denn hier beginnt Beteiligung: bei mir selbst.
Blicken wir zurück nach Malchin. Am Anfang waren alle überfordert. Doch dann wuchs der Bürgerrat. Er wuchs, weil man Fragen stellte, anstatt Antworten vorzugeben. Er wuchs, weil man den Menschen etwas zutraute. Und er wuchs, weil man die Energiefrage nicht weggeschoben hat. Ohne Erneuerbare keine Wärme. Die Diskussionen wurden technologieoffen geführt. Ohne Wind, ohne Sonne, ohne Abwärme wird es nicht funktionieren. Das wurde allen schnell klar. Man brauche eine allumfassende Strategie. Nicht nur den Fokus auf Geothermie. Und dennoch: Die Frage nach dem richtigen Format ist bereits Teil von guter Beteiligung. Denn nicht immer ist der Bürgerrat oder die Infoveranstaltung der beste Weg.
Und beim Solarprojekt? Dort war es nicht der Bürgermeister, der am Ende überzeugt wurde. Es waren die Stadtverordneten, die merkten: Hier sitzt kein Verkäufer. Der Projektentwickler wurde als Partner wahrgenommen. Hier sitzt nämlich jemand, der uns zuhört. Und so wurde aus einem verschlossenen Stadtrat ein Stadtrat, der einstimmig „Ja“ sagte. Nicht, weil alles perfekt war. Sondern weil alle wussten: Hier werden wir ernst genommen.
Ich habe gelernt: Beteiligung ist kein Projekt. Nichts, was abgehakt wird. Nichts, das man erledigen muss. Beteiligung ist ein Prozess, eine Haltung, ein Versprechen. Sie endet nicht mit dem Aufstellungsbeschluss. Sie beginnt nicht erst bei der Infoveranstaltung.
Welche fünf Fragen machen Ihr Projekt besser? Reden Sie mit den Landwirten, mit den Bürgermeistern, mit den Skeptikern. Erzählen Sie von Ihren Ideen. Aber vor allem: Hören Sie zu. Fragen Sie: „Was bewegt Sie?“ Sagen Sie: „Ich verstehe, dass das nicht einfach ist.“ Seien Sie geduldig. Seien Sie ehrlich. Seien Sie neugierig. Und lassen Sie auch mal was stehen.
So wird aus einem Plan ein Projekt. Aus einem Projekt ein Gemeinschaftswerk. Und aus einem Gemeinschaftswerk eine Zukunft, die allen gehört. Hier beginnt Beteiligung. Mit einem Lächeln. Mit einer Frage. Mit einem offenen Ohr. Denn alles beginnt mit einem Gespräch. Alles beginnt mit Vertrauen. Alles beginnt bei Ihnen.
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