Informationsveranstaltungen für Energiewendeprojekte – Pflicht, Chance oder Risiko?
- Michael Krieger

- 16. Juli
- 3 Min. Lesezeit

Energiewendeprojekte brauchen Kommunikation. Das gilt spätestens dann, wenn eine Fläche konkret wird, Genehmigungsprozesse anlaufen oder sich erste Fragen aus der Bevölkerung stellen. Früher oder später steht dann oft eine Informationsveranstaltung auf dem Programm.
Aber: Was soll diese Veranstaltung eigentlich leisten – und welches Format passt zur Situation vor Ort? Dieser Artikel gibt eine praxisnahe Einordnung gängiger Formate, zeigt Stärken und Schwächen auf und plädiert für eine strategische Herangehensweise.
Warum überhaupt Infoveranstaltungen?
Informationsveranstaltungen sind in der Energiewende längst mehr als bloße „Pflichtübungen“. Sie sind oft das erste sichtbare Signal, dass ein Projektteam bereit ist, sich zu zeigen – und dass Dialog möglich ist. Gleichzeitig tragen sie ein hohes Risiko: Wenn sie nicht durchdacht sind, können sie Stimmungen verschärfen, statt Vertrauen aufzubauen.
Entscheidend ist daher nicht nur ob informiert wird, sondern wie.
Vier Formate im Vergleich
1. Frontalveranstaltung – klassisch, aber konfliktanfällig
Die traditionelle Informationsveranstaltung mit Bühne, Präsentation und offener Fragerunde ist schnell organisiert – und für viele Kommunen vertraut. Doch gerade bei kontroversen Projekten laufen solche Veranstaltungen Gefahr, zur Bühne für Unmut zu werden.
Typische Merkmale:
Eine Agenda, ein Podium, ein Publikum.
Zeitlich begrenzter Raum für Fragen – oft über Mikrofone oder Karten.
Eine kommunikative Einbahnstraße.
Vorteile:
Klare Struktur und Steuerung.
Gut dokumentierbar („wir haben informiert“).
Vergleichsweise geringer Moderationsaufwand.
Herausforderungen:
Eskalationspotenzial bei Zwischenrufen oder Störungen.
Kaum Möglichkeit zur Differenzierung von Fragen oder Perspektiven.
Passiv erlebte Teilhabe, was Frust verstärken kann.
Wann geeignet?
Bei geringer Komplexität und überschaubarem Konfliktpotenzial.
Wenn es um frühe, sachliche Information geht (z. B. über Planungsrechtliches).

2. Infomarkt im Messeformat – offen, dialogisch, aber unstrukturiert
Beim Infomarkt können sich Bürger:innen frei zwischen verschiedenen Thementischen bewegen. Projektbeteiligte stehen für Gespräche zur Verfügung, häufig ergänzt durch Visualisierungen, Plakate oder Modelle.
Typische Merkmale:
Kein zentraler Ablauf, freies Kommen und Gehen.
Gespräche auf Augenhöhe an Thementischen.
Fokus auf Austausch statt Präsentation.
Vorteile:
Niedrigschwelliger Zugang, auch für Unentschlossene.
Direkter Draht zu Ansprechpartner:innen.
Ermöglicht individuelles Eingehen auf Fragen.
Herausforderungen:
Wenig Steuerung der Themen oder Narrative.
Unübersichtlichkeit bei großem Andrang.
Bedarf an guter Raumgestaltung und Vorbereitung.
Wann geeignet?
Wenn viele Beteiligte involviert sind (z. B. Projektträger, Behörden, Gutachter:innen).
Wenn Raum für individuelle Anliegen geschaffen werden soll.

3. Infomarkt im World-Café-Stil – partizipativ, aber aufwendig
Dieses Format kombiniert den offenen Infomarkt mit gezielten Kleingruppen-Gesprächen. In mehreren Runden diskutieren die Teilnehmenden an wechselnden Tischen Fragen oder Aspekte des Projekts. Die Ergebnisse werden festgehalten und am Ende zusammengetragen.
Typische Merkmale:
Strukturierte Interaktion in kleinen Gruppen.
Wechselnde Themen und Tischhosts.
Dokumentation der Beiträge.
Vorteile:
Tiefergehender Austausch.
Raum für unterschiedliche Perspektiven.
Sichtbarmachung von Interessen und Fragen.
Herausforderungen:
Moderations- und Planungsaufwand.
Zeitintensiv – oft 2–3 Stunden notwendig.
Weniger geeignet bei hohem Frust- oder Konfliktniveau.
Wann geeignet?
Wenn Bürger:innen nicht nur informiert, sondern eingebunden werden sollen.
Für Themen mit mehreren Optionen oder Gestaltungsräumen.

4. Gar keine Infoveranstaltung – ein legitimer Weg?
Manchmal ist ein öffentliches Format nicht der richtige erste Schritt. Etwa, wenn der Vertrauensverlust sehr hoch ist, Polarisierung bereits spürbar ist oder die Informationslage noch zu vage. Stattdessen kann über Einzelgespräche, schriftliche Formate oder Ortsbegehungen kommuniziert werden.
Typische Merkmale:
Keine Veranstaltung im klassischen Sinn.
Alternative Formate wie Briefings, 1:1-Gespräche oder digitale Plattformen.
Kommunikation im Hintergrund.
Vorteile:
Vermeidet Eskalation in frühen Phasen.
Bietet Kontrolle über Tempo und Inhalte.
Ressourcenschonend.
Herausforderungen:
Gefahr des Vorwurfs mangelnder Transparenz.
Fehlende öffentliche Sichtbarkeit.
Geringe Teilhabeerfahrung.
Wann geeignet?
Bei sensibler Ausgangslage, wenn zunächst Vertrauen aufgebaut werden muss.
Als Zwischenschritt vor einer späteren Öffnung.

Fazit: Kein Format ist per se „das richtige“
Die Wahl des Formats sollte nicht reflexhaft erfolgen – sondern strategisch, angepasst an Ziel, Zielgruppe und Ausgangslage. Was gut aussieht, funktioniert nicht immer gut. Und was leise wirkt, kann der richtige Anfang sein.
Gute Kommunikationsarbeit beginnt nicht mit der Wahl eines Formats – sondern mit der Klarheit über die eigene Haltung:
Wollen wir nur informieren – oder auch ins Gespräch kommen?
Wer sind unsere Schlüsselakteure vor Ort?
Was brauchen sie, um sich sicher, gehört und ernst genommen zu fühlen?
Was denkst du? Welche Formate haben bei euren Projekten funktioniert – und wo lagen die Stolpersteine?
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